Erziehung

Kindliche Entwicklung: 3 Gründe, warum du dein Kind nie mit Anderen vergleichen solltest

Kindliche Entwicklung

Bei der letzten U-Untersuchung meiner Kleinen wurde sie, wie jedes Baby, natürlich auch gemessen und gewogen. Kommentarlos trug der Kinderarzt Größe und Gewicht ins U-Heft ein und zeichnete beides in die dafür vorgesehenen Tabellen ein. Auf meine Frage, ob denn alles passe, antwortete dieser: „Ja, sie haben ein absolutes Norm-Baby.“ Ein Norm-Baby? Diese Aussage passt so gut zu der Denkweise unserer Gesellschaft über die kindliche Entwicklung.  

Heutzutage geht es nur um Zahlen, alles wird in irgendwelche Statistiken gepackt, für alles gibt es Tabellen, Rechner etc. Jetzt als Mama fällt mir das in der Entwicklung und Erziehung meiner Kinder besonders auf. Es ging doch in der Schwangerschaft schon los. Ständig könnte man sich Sorgen machen, weil das Baby in Schwangerschaftswoche 15 nicht so groß ist wie der Durchschnitt oder weil es sich in Schwangerschaftswoche 30 nicht genug bewegt beim Ultraschall usw.

Kaum ist das Kind auf der Welt, geht es weiter. In den U-Untersuchungen wird die kindliche Entwicklung auf Herz und Nieren geprüft. Getestet, ob das Kind schon kann, was „alle“ Kinder in seinem Alter können sollten. Unter Müttern in Krabbelgruppen wird eifrig verglichen und bewertet: „Was? Dein Kind krabbelt immer noch nicht? Wird es nicht langsam mal Zeit? Mein Kind krabbelt schon seit 5 Wochen!“ 

Kindliche Entwicklung als Schema

Die kindliche Entwicklung muss in ein Schema passen. Fällt das Kind aus der Norm schaut der Kinderarzt besorgt drein. Etwas stimmt nicht. Denn es ist nicht „normal“, wenn ein Kind z.B. mit 6 Monaten noch keinen Brei essen möchte, mit 16 Monaten noch nicht läuft oder mit 5 Jahren noch nicht Fahrrad fährt.

Dabei sind Kinder doch, genau wie Erwachsene, unterschiedlich groß oder klein, schwer oder leicht. Die Einen sind motorische Überflieger, die mit 10 Monaten schon durch die Gegend flitzen, haben aber bis zum zweiten Geburtstag nur einen geringen Wortschatz. Die Anderen quatschen mit eineinhalb Jahren schon Opern, während das Laufen erst spät erlernt wird.

Warum die ewige Vergleicherei und das Bewerten der Fähigkeiten der Kinder schlecht sind, das erkläre ich euch im Folgenden.

3 Gründe, warum du dein Kind niemals mit anderen Kindern vergleichen solltest

1. Dein Kind und dessen kindliche Entwicklung ist etwas Besonderes

Dein Kind ist etwas ganz Besonderes. Es ist ein eigenes Individuum mit ganz eigenen Eigenschaften, Charakterzügen, Neigungen und Veranlagungen. Vielleicht ist es besonders groß, weil Papa auch ein Riese ist. Oder ganz zart, weil Mama ja auch so schmal ist. Möglicherweise ist dein Kind sehr temperamentvoll, hat viel Energie und einen großen Bewegungsdrang. Oder es ist unheimlich nähebedürftig, verkuschelt und verträumt. Vielleicht tut es sich in motorischen Dingen sehr leicht und hat den Dreh (im wahrsten Sinne des Wortes) schnell raus. Oder es ist sehr sprachbegabt und kann schon sehr früh mit dir kommunizieren. Anderernfalls ist es vielleicht der gemütliche Typ, genügsam und lässt sich mit alledem etwas mehr Zeit.

Eins ist sicher, niemand ist so wie dein Kind. KEINER! Nicht einmal du oder dein Partner. Dein Kind ist wie es ist und das ist gut so!

Es mit anderen Kindern oder Menschen zu vergleichen würde ihm implizieren, dass es evtl. nicht gut genug ist, so wie es ist. Es wird bewertet. Wenn das andere Kind schon läuft, deins aber noch nicht, ist plötzlich das andere Kind „besser“. Ein Leistungsgedanke entsteht, der immer Druck erzeugt. Dabei spielt es doch keine Rolle, ob dein Kind früher oder später damit dran ist. Es wird dann damit anfangen, wenn es dazu bereit ist, unabhängig davon, wie es bei den anderen Kindern aussieht.

2. Du kannst deinem Kind vertrauen

Du kannst deinem Kind vertrauen. Ihm vertrauen, dass es sich wohl entwickeln wird. Dass es all diese Fähigkeiten – wie drehen, krabbeln, laufen, Fahrrad fahren, schreiben oder lesen – erlernen wird. Daran glauben, dass es früher oder später auch all das können wird. Dass es gewisse Talente haben wird und Stärken, die es auszeichnen werden. Du kannst ihm vertrauen! Es wird, wenn es darf, in seinem Tempo wachsen und lernen und irgendwann ganz stolz zeigen, dass es die ersten Schritte tut, die ersten Wörter spricht, aufs Töpfchen geht oder im eigenen Bett schläft. Feiere es dafür und denke nicht „das wird aber langsam Zeit“. Denn mal ehrlich: In 18 Jahren fragt keiner mehr danach, ob euer Kind einen Monat früher oder später laufen konnte oder wieviele Wörter es bei der U 7 schon sagen konnte, oder?

Es bringt also nichts, auf Biegen und Brechen etwas erzwingen zu wollen. Im Gegenteil, wenn das Kind so sein darf wie es ist, mit all seinen Stärken und Schwächen, wird es ein positives Selbstwertgefühl erlangen, lernen „ich bin gut“ und muss nicht immer irgendwelchen Idealen oder Überfliegern hinterhereifern. Es wird sich mehr zutrauen und glauben „Ich schaffe das (zu gegebener Zeit)“.

3. Du bist eine gute Mutter!

Sind wir mal ehrlich, diese ganze Vergleicherei führt nicht nur dazu, dass dem Kind Druck gemacht wird, sondern selbstverständlich auch uns Müttern. Es verunsichert uns. Uns wird vermittelt, wir würden das Kind nicht genug fördern, wenn es sich mit dem Durchschlafen, Sprechen, Laufen, Lesen, Schuhe binden Zeit lässt. Wir haben das Gefühl, unsere Kinder müssten nachziehen und doch auch „endlich“ soweit sein. Dabei kann man eine Knopse eben nicht aufbrechen, sondern muss immer warten, bis sie erblüht. Bei den Kindern und ihren Fähigkeiten ist es letztendlich auch nichts anderes!

Wir haben nicht versagt, wenn unser Kind das letzte Kind aus der Krabbelgruppe ist, das eigenständig ohne festhalten stehen kann. Und wir vernachlässigen unser Kind auch nicht, wenn wir nicht täglich ein Töpfchentraining durchführen, damit es schneller sauber wird. Und wir sind auch nicht faul, wenn wir unser Kind einfach in seinem Tempo machen lassen. Wir sind gut so wie wir sind, genau wie unsere Kinder!

Kennt ihr dieses Vergleichen auch? Verunsichert es euch auch manchmal? Wie reagiert ihr darauf?

11 Kommentare

  • Saskia Katharina Most

    Ich finde es nicht in Ordnung, ein anderes Kind als Maßstab für sein eigenes Kind zunehmen und deshalb finde ich deinen Beitrag gut. Jeder ist anderes. Jeder ist entwickelt sich anderes. Die Entwicklung eines Kindes ist individuell und lässt sich nicht nach irgendeinem Schema abhacken.

    Liebe Grüße,
    Saskia Katharina

  • Julia von Jack auf Reisen

    Ich habe zwar noch keine Kinder, kann mir aber gut vorstellen, wie stressig diese ständigen Vergleiche sein können. Deine Tipps sind wirklich gut und wie es dem Kind geht und ob alles so stimmt wie es ist, merkt man als Mutter bestimmt am besten.
    Liebe Grüße

  • I need sunshine

    Ich finde dieses Vergleichen auch schlimm. Wobei ich das bei den U-Untersuchungen nicht so tragisch sehe. Da wird halt geschaut ob es Auffälligkeiten gibt, die einen zweiten Blick wert sind. Meist ist ja trotzdem alles gut. Man muss auch bedenken, dass es Kinder gibt, die vielleicht zu Hause nicht die volle Aufmerksamkeit bekommen oder wo sich die Eltern nicht richtig kümmern (können) und die ohne die Untersuchungen durch das Raster fallen würden. Aber Vergleiche in Krabbelgruppen etc finde ich auch unnötig. Jedes Kind hat sein eigenes Tempo, daher habe ich meine Tochter auch nie verglichen bzw mir nie Sorgen gemacht, wenn andere Kinder schon was konnten, was sie nicht konnte. Finde ich gut, dass du darauf nochmal aufmerksam machst! Und Töpfchentraining finde ich persönlich ganz schlimm, weil es die Kinder unnötig unter Druck setzt. Meine Tochter ist auch ohne Töpfchentraining trocken geworden, ganz in ihrem eigenen Tempo. Die Kommentare der Großeltern haben wir gekonnt ignoriert 😀

    Liebe Grüße,
    Diana

  • Dr. Annette Pitzer

    Ein wichtiges Thema, das jeder von uns, der Geschwister hat sicherlich kennt, oder? Natürlich sind gesundheitsrelevante Daten immer einer Norm unterworfen, anders ist es nicht handhabbar, aber wir dürfen immer unseren Verstand benutzen.
    Alles Liebe
    Annette

  • Auszeitgeniesser

    Gerade hatte ich einen sehr interessanten Artikel zu diesem wichtigen Thema gelesen. Denn mit dem ständigen Vergleichen, rauben wir unseren Kindern die Kindheit.
    Jeder ist ein eigenständiges Individuum und genau so sollten wir Kinder auch behandeln.
    Selbstverständlich gibt es gesundheitsrelevante Eckpunkte, doch mehr als Eckpunkte sind es eben auch nicht.

    Liebe Grüße, Katja

  • Mo

    Als mein Kind zum ersten Mal in einer Krippe war, habe ich seine aktuellen Fähigkeiten auch erst einmal mit Gleichaltrigen verglichen. Doch das habe ich mir ganz schnell abgewöhnt. Zum einen führt es zu Frust bei einem selber und sorgt für noch größere Unsicherheit. Ich habe dann einfach das Gespräch mit dem Kinderarzt gesucht und höre heute auf mein Bauchgefühl.
    Daher finde ich Artikel wie deinen super wichtig, damit auch andere Eltern nicht in die „Vergleichsfalle“ tappen.

    Liebe Grüße,
    Mo

  • Jana

    Solche Vergleiche höre ich ganz oft in meinem Praxisalltag als Sprachtherapeutin! Aber wie du schon so schön schreibst, manche sind motorische Überflieger und sprechen dagegen noch wenig, bei anderen ist es genau andersrum. Die meisten Kinder holen das aber im gesunden Maße wieder auf und falls nicht, seh ich sie vielleicht bei mir 🙂

    Liebe Grüße
    Jana von SimplyJaimee.de

  • Claudia Padberg

    Ja, genau so ist. Vergleichen ist furchtbar.
    Und dennoch bin ich bei meinem Erstgeborenen zu Beginn drauf reingefallen. In all den Kursen die ich zu Beginn gemacht habe, war ich den Vergleichen ununterbrochen damit konfrontiert. Bis ich zum Glück die Kurve bekommen habe und mir gesagt habe: Mein Kind muss gar nix, außer so sein wie es ist. <3 Danke, dass du das auch nochmal so schreibst.

    Liebe Grüße
    Die Glücksclaudi

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